„Die Frau meines Vaters – Erinnerungen an Ulrike“

Anja Röhl, die Autorin dieses Buches war am 17. Mai 2014 im Infoladen Zittau zu Gast. Zu Beginn gab sie eine kleine Einführung über die Bedeutung der historischen Person Ulrike Marie Meinhof im Westdeutschland des kalten Krieges, der ehemaligen BRD. Sie beschreibt, wie der Vater als Herausgeber einer damals linken Zeitschrift (dem früheren Magazin konkret) und Ulrike Meinhof als Anti-Atomkrieg-Aktivistin sich kennenlernten und zusammen politisch in der ehemaligen BRD aufklärerisch und journalistisch tätig waren. Im Laufe der Zeit wurde Ulrike Meinhof zur meistgelesensten Journalistin und Vordenkerin einer ganzen Generation.

Anja Röhl liest aus ihrem Buch

Anja Röhl liest aus ihrem Buch

Anja Röhl gibt dann während der Lesung mit ihrem Buch durch einen leisen, tief berührenden StilEinblicke in die Kindheit und Jugendeiner ganzen Generation während des Kalten Krieges in Westdeutschland, einer Zeit, die nicht von Kälte, Bindungslosigkeit und fehlender Elternkompetenz geprägt war. Kindererziehung war noch geprägt von Strenge, Härte und Unverständnis, was kindliches Erleben angeht. Prügel war eine Selbstverständlichkeit Ebenso verhielt es sich in den Schulen und Heimen in dieser Zeit. Anja Röhl schafft es über sich selbst zu sprechen und doch etwas deutlich zu machen, was viele betraf, sie beschreibt exemplarisch, sie wertet nicht, sie schildert, Einzelheiten, aus denen man Wesentliches entnehmen könne, wie sie anfangs einen großen Schriftsteller zitiert.

Ihr Vater, Klaus Rainer Röhl und Ulrike Meinhof heirateten Weihnachten 1961. Für Röhl war es die zweite Ehe, aus der noch zwei Halbgeschwister hervorgingen. Die liebte die um sieben Jahre ältere Schwester Anja Röhl sehr, später versuchte sie ihnen die fehlenden Eltern zu ersetzen. Sie besuchte Ulrike und ihre Halbschwestern oft, mindestens einmal pro Woche und in vielen Ferien länger. Ulrike beeindruckte Anja , nicht nur, weil sie die einzige Erwachsene war, die sie zu verstehen schien, sondern auch, weil sie bei ihr das eigenständige Denken förderte und nicht nur Widerspruch zuließ, sondern geradezu dazu aufforderte. „Sie brachte mir das dialektische Denken bei“, sagt sie im nachfolgenden Gespräch, ein Denken, was immer zu einem tiefergehenden Infragestellen aller Dinge anreizte. Sie lehnte althergebrachte Erziehungsmethoden ab. Anja erlebte Ulrike Meinhof in ihrer Familie über viele Jahre als eine sehr liebevolle, geduldige und fürsorgliche Mutter, damit stellt sich Anja Röhl gegen das Bild was bisher öffentlich über Ulrike Meinhof verbreitet wird.

Des Weiteren berichtet Anja Röhl über ihre Empfindungen in der Zeit, in der Ulrike Meinhof im Untergrund und später im Knast lebte, sie besuchte sie im Knast, kämpfte mit anderen Angehörigen gegen die strenge Isolationshaft und beschreibt dann auch, wie sie den Tod von Ulrike Meinhof und ihre Beerdigung erlebt hat

Dieses Buch zeigt diese historische Persönlichkeit, die bisher nur aus ihren letzten zwei Jahren beurteilt wird, wesentlich differenzierter als sie bisher in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Wer weiß schon, dass Ulrike Meinhof den größten Teil ihres Lebens eine bedeutende Journalistin und humanistische Aufklärerin, eine Antifaschistin, eine Pazifistin, eine Pädagogin, eine Gegnerin des Vietnamkrieges (mit 2 Millionen Bombentoten) und der Notstandsgesetze der BRD, eine Befreierin der Heimkinder, eine allgemeine und vielfach gelesene Vordenkerin der 68-iger Generation war? Anja Röhl rückt dies mit ihrem Buch wieder in den Mittelpunkt. Anja Röhl will mit ihrem Buch „einen Mosaikstein dazu beitragen, dass man Ulrike Meinhof anders und neu wahrnimmt.

Wer die Wahrheit über Ulrike Meinhof und ihr Leben erfahren möchte, sollte dieses Buch auf alle Fälle lesen. Bis heute sind die genauen Umstände ihres Todes nicht eindeutig geklärt. Bleibt die Hoffnung, dass sich dies ändert. Deshalb sind alle aufgefordert „Nicht der Wirklichkeit, der Wahrheit nachgehen“ wie Ulrike Meinhof einmal sagte. Dieses Buch ist ein Anfang!

Der Infoladen Zittau hat ein Exemplar des Buches gekauft. Dieses kann in den Räumlichkeiten des Infoladens gelesen werden.

Originalveröffentlichung Gebunden mit Schutzumschlag, ca. 160 Seiten ca. € (D)  18,– € (A)  18,50 €, http://www.edition-nautilus.de/programm/belletristik/buch-978-3-89401-771-2.html

 

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