Der „Kreisauer Kreis“

„Wir werden gehenkt, weil wir zusammengedacht haben.“
James von Moltke

Vorwort:

Die Bezeichnung „Kreisauer Kreis“ wurde erst im Nachhinein von der Gestapo diesem Personenkreis zugeschrieben. Aufgedeckt wurde dieser im Zuge der Ermittlungen gegen die Verschwörer des 20. Juli 1944.

Kreisau ist ein kleiner Ort in Polen und befindet sich in der Nähe von Breslau, dem heutigen Wroclaw[1].

Die Ziele

Der „Kreisauer Kreis“ kann als bürgerliche Widerstandsgruppe bezeichnet werden. Die Mitglieder dieser Gruppe einte die Gegnerschaft gegen Hitler und das faschistische Regime. Sie befassten sich mit Plänen zur politisch-gesellschaftlichen Neuordnung von Deutschland und Europa nach dem angenommenen Zusammenbruch des faschistischen Deutschlands. Die Vorschläge, wie dieses Ziel erreicht werden sollte, waren sehr unterschiedlich[2]. Moltke, von Beruf Jurist, vertrat vor allem zusammen mit Peter Yorck von Wartenburg die Idee, dass Deutschland wieder zu rechtsstaatlichen Verhältnissen zurückkehren solle. Die Neuordnung sollte auf einer demokratischen Grundlage stattfinden und auf kleine Einheiten, ähnlich einem föderalistischen System, aufgebaut sein[3]. Für die Neuordnung sahen die Kreisauer folgende tragende Prinzipien[4]:

  • Wiederherstellung des Rechtsstaates
  • Garantie der Glaubens- und Gewissensfreiheit
  • Unverletzbarkeit der Menschenwürde als Grundlage
  • Recht auf Arbeit und Eigentum
  • Politische Mitbestimmung auch in der Wirtschaft
  • Selbstbestimmung und Verantwortung
  • Stärkung der Familie

Die Akteure

Die etwa 20 Akteure waren vor allem von der christlichen Sozial- und Morallehre durchdrungen. Allerdings wollten diese nicht unbedingt einen christlichen Staat errichten. Sie stammten aus  verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. In dem Kreis wirkten Persönlichkeiten aus der Arbeiterbewegung, dem Bürgertum, dem Adel sowie dem Katholizismus und dem Protestantismus mit.
Zu den Führungspersönlichkeiten zählten Helmuth James Graf von Moltke (1907 – 1944) und Peter Graf Yorck von Wartenburg (1904 – 1944). Häufiger Treffpunkt für diese war das Rittergut Kreisau sowie die Wohnung von Moltke in Berlin[5].

Unterschiedliche Beziehungen

Einige „Kreisauer“ näherten sich den Gedanken der Wirtschaftsdemokratie an. In dessen Folge kam es zu Kontakten mit sozialdemokratischen und sozialistischen Kreisen, wie z. B. mit dem ehemaligen SPD – Reichstagsabgeordneten Julis Leber (1891 – 1944), Wilhelm Leuschner (1890 -1944) und Anderen. Ein Kontakt zu kommunistischen Kreisen wurde jedoch aufgrund der eher konservativen Einstellung der meisten Teilnehmer abgelehnt[6]. Dagegen existierte ein reger Austausch in oppositionelle kirchliche Kreise sowohl der evangelischen wie der katholischen Kirche hinein. Neben Alfred Delp (1907 – 1945) und Adolf Reichwein (1898 -1944) waren auch Bischöfe wie Bischof Preysing (Berlin), Kardinal Faulhaber (München), Bischof Dietz (Fulda) und Landesbischof Wurm (Stuttgart)[7] vertreten. Die Gründe für die Unterstützung waren verschieden. Vermutlich lag es an der anwesenden Elite und dem Ende der Nazi-Diktatur.

Arbeitstreffen des Kreises

Die Treffen der „Kreisauer“ fanden in kleinen Gruppen statt, so dass der Kreis der Mitwissenden überschaubar blieb. Es gab insgesamt drei größere Sitzungen[8].

Vom 22. bis zum 25. Mai 1942 fand die erste Tagung in Kreisau statt. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich in einem abgelegenen Haus. Nachdem über bestimmte Themen referiert wurde, so zum Beispiel über die Hochschulreform und die evangelischen und katholischen Positionen zum Verhältnis von Kirche und Staat, fanden rege Diskussionen statt.

Die zweite Tagung fand vom 16. bis zum 18. Oktober 1942 statt. Der Verfassungsaufbau und die Wirtschaftsordnung standen im Mittelpunkt des Treffens. Besonders wurden dabei die Stärkung der Selbstverwaltung und der geplante förderale Staatsaufbau besprochen.

Die letzte Tagung fand vom 12. bis 14. Juni 1943 statt. Inzwischen waren einigen Mitgliedern des Kreises die Verbrechen der SS und der Wehrmacht bekannt geworden. Die Diskussion zur Wirtschaftsordnung wurde fortgesetzt. Weiterhin wurde die „Bestrafung der Rechtsschänder“ [9], womit die juristische Verfolgung der nationalsozialistischen Kriegsverbrecher gemeint war, besprochen. Die Entwürfe zur „Bestrafung von Rechtsschändern“ wurden verschriftlicht.

In mehreren Grundsatzerklärungen wurden die Ergebnisse der Treffen schriftlich festgehalten.

In den „Grundsätze für die Neuordnung“, sind die großen Linien des Kreisauer Programms dargestellt. In der „Ersten Weisung an die Landesverweser“ sind erste einzuleitende organisatorische Maßnahmen vermerkt, die nach dem Zusammenbruch des faschistischen Regimes durchgeführt werden sollten. Beide Erklärungen sind auf den 9. August 1943 datiert.

Militärische Aktionen – oder nicht?

Während James von Moltke ein Attentat auf Hitler ablehnte, gab es auch Kontakte zum militärischen Widerstand[10]. Moltkes Ziel war es, Hitler und führende Nazis zum Rücktritt zu zwingen. Diese sollten später als „Rechtsschänder“ vor ein ordentliches Gericht gestellt werden. Allerdings verwarfen die meisten Teilnehmer des Gesprächskreises die Idee als unrealistisch.

Das Ende

Im Januar 1944 warnte Moltke seinen Freund Otto Carl Kiep vor dessen bevorstehender Verhaftung. Daraufhin wurde Moltke von der Gestapo verhaftet. Die Mitglieder des Kreisauer Kreises konnten Kontakt zu Moltke halten, jedoch seine Freilassung nicht erwirken. Der Kreis der Mitglieder verringerte sich. Einige schlossen sich der Gruppe von Stauffenberg an, zu dem bereits vorher Kontakte bestanden hatten. Besonders Yorck und Haubach[11] verbanden sich nun eng mit Stauffenberg und forcierten einen gewaltsamen Umsturz. Neben den beiden genannten nahmen noch Haeften, Trott, Reichwein, Leber, Gerstenmaier, van Husen, Lukaschek und Steltzer an den Vorbereitungen und/oder der Durchführung des Attentats vom 20. Juli 1944 aktiv teil[12]. Nach dem Scheitern des Attentates auf Hitler wurden etliche Mitglieder des Kreisauer Kreises verhaftet. Durch die Hilfe des Gefängnispfarrers gelang es den Verhafteten, sich zu treffen und Kontakt zur Außenwelt zu halten. So konnten die Kreisauer ihre Verteidigungslinie aufeinander abstimmen. Sie einigten sich darauf, jede aktive Beteiligung am Umsturzversuch zu leugnen und sich auf die Position, sie hätten nur nachgedacht, zurückzuziehen. Genützt hat diese Verteidigungsstrategie während der Schauprozesse vor dem Volksgerichtshof unter dem Vorsitz des  berüchtigten Richters Roland Freisler, nur wenig. Sieben Todesurteile, darunter für James von Moltke[13], wurden verhängt.

Und heute?

Seit 1989 beherbergt das Gut Kreisau im polnischen Dorf Krzyzowa eine Internationale Jugendbegegnungsstätte. Eine Ausstellung zur Geschichte des Kreisauer Kreises und zu anderen Widerstandsbewegungen des 20. Jahrhunderts befindet sich im ehemaligen Schloss. Die Internationale Jugendbegegnungsstätte fördert den Austausch zwischen Menschen mit unterschiedlicher sozialer, religiöser und nationaler Herkunft und will die Brückenbildung zwischen West- und Osteuropa stärken.

Wkład do polskiej

Příspěvek do češtiny



[1] http://www.krzyzowa.pl

[2] Mammach, Klaus: Widerstand 1939-1945. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration. Akademie-Verlag Berlin. 1987

[3] Steinbach, Peter: Widerstand in Deutschland 1933-1945: ein historisches Lesebuch. Die Deutsche Bibliothek, München 1997

[4] Karpen, Ulrich: Europas Zukunft. Vorstellungen des Kreisauer Kreises um Helmuth James Graf von Moltke.C. F. Müller Verlagsgruppe Hüthig Jehle Rehm GmbH, 2005

[5] http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/kreisauer/

[6] Mammach, Klaus: Widerstand 1939-1945. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration. Akademie-Verlag Berlin. 1987

[7] Mammach, Klaus: Widerstand 1939-1945. Geschichte der deutschen antifaschistischen Widerstandsbewegung im Inland und in der Emigration. Akademie-Verlag Berlin. 1987

[8] Weber/ Pfäntner, Vom 2. Weltkrieg bis zur Gegenwart, 1995

[9] http://www.kreisau.de/kreisauer-kreis/schriften/grundsatz/bestrafung-rechtsschaender.html

[10] http://www.dhm.de/lemo/html/nazi/widerstand/kreisauer/

[11] van Roon: Neuordnung, S. 289

[12] Winterhager: Kreisauer Kreis, S. 176

[13] http://www.bpb.de/izpb/10385/widerstand-traditioneller-eliten?p=all

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